Wer hätte gedacht, dass Wiesbaden so schön ist oder
So aufregend kann es sein vor sieben Menschen zu lesen.
Am vergangenen Sonntag besuchte ich Walter König, den Gewinner meiner Wohnzimmerlesung. Wo? Natürlich in seinem Wohnzimmer in Wiesbaden. Die Lesung war kurzfristig aus dem Wohnzimmer seiner Schwester in Koblenz in sein eigenes Wohnzimmer nach Wiesbaden verlegt worden. Übrigens eine tolle Stadt - ich oute mich mal als Banause, denn bisher hatte ich in Wiesbaden immer mehr eine Trabantenstadt von Frankfurt gesehen. An alle Wiesbadener, ich bitte um Verzeihung und schäme mich gebührend.
Da lag sie also vor mir, meine erste Lesung, die ich ganz allein bestreiten sollte. Ich hatte mir ein Programm zusammengebastelt, das für jeden Geschmack etwas enthalten sollte und mit dem ich zwei mal fünfundvierzig Minuten zu füllen gedachte.
Schon auf dem Hinweg ging es mir schlecht, also nicht so richtig schlecht, sondern so ein Lampenfieber-Schlecht. Im Wiesbadener Wohnzimmer angekommen, wurde ich herzlich empfangen und fürstlich bewirtet. Walter hatte natürlich einige seiner Freunde eingeladen. So erwarteten mich, neben Kaffee, Kuchen und einem Glas Sekt, sieben gespannte Zuhörer. Ich war reichlich nervös, so gut die Torte auch schmeckte, ich probierte ein kleines Stückchen, mehr ging nicht. Logisch, dass dies damit bestraft wurde, dass ich später während der Lesung mit einem knurrenden Magen zu kämpfen hatte. Hoffentlich hat das niemand gehört.
Walter platzierte mich im Eßzimmer, was zur Folge hatte, dass ich zwei Stufen höher saß, als die Zuhörer. Na klasse, dachte ich, das macht es nun gar nicht leichter. Auf dieser provisorischen Bühne nahm ich also Platz und las, zunächst mit zittriger Stimme, einige meiner Geschichten. Zwischendurch stellten die Zuhörer Fragen, zur Entstehungs der Geschichten oder zu dessen Wahrheitsgehalt.
Die Zeit verging im Flug. Ein anspruchsvolles Publikum, das nicht jede Geschichte mit lautem Hurra begrüßte, jedoch alle wohlwollend aufnahm. Zum Glück hielt es sich bei mir mit den Versprechern in Grenzen, allerdings wurde ich zum Ende hin immer schneller mit dem Lesetempo. Wahrscheinlich wollte ich fertig werden, denn ich hatte nicht damit gerechnet, wie anstrengend dieser Nachmittag werden würde. Außerdem hatte ich mich mit der Zeit verkalkuliert, da ich die Gespräche und Fragen zwischen den Geschichten nicht bedacht hatte. Wäre ich so schlau gewesen, nach der Uhr zu lesen, hätte ich einfach zwei Geschichten weggelassen, dann hätte es gepasst, aber so hatte ich schlichtweg keine Vorstellung, wieviel Zeit bereits verstrichen war.
Irgendwann war ich durch mit dem Programm, aber die Knie zitterten immer noch. Ich spürte zwar Erleichterung, doch auch eine unangenehme Mischung aus Adrenalin, Hunger und Kratzen im Hals. Ich hätte gern geschlafen auf dem Heimweg, doch dazu war ich viel zu aufgeregt.
In der Rückschau war es ein sehr gelungener Nachmittag. Vielen Dank an Walter König.
Ich habe viel gelernt, ich brauche eine Uhr, viel stilles Wasser, längere Pausen und Lutschpastillen. Insgesamt werde ich nicht noch einmal ein festes Programm zusammenstellen, sondern flexibel auf die Zusammensetzung des Publikums reagieren. Naja und wenn ich aus den 'Wunden der Zeit' lese oder demnächst aus 'Am dreizehnten Tag', muss ich wenigstens nur die Stellen aussuchen und nicht auch noch die Geschichten.
Der 17. November - die Lesung im Friseursalon - kann also kommen, ich bin bereit. Ich hoffe wirklich, man gewöhnt sich mit der Zeit an Kribbeln im Bauch und Schiss inne Büx. ;-).
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