Geschichten, die das Leben schreibt.

Was in Romanen oft als 'unrealistisch' kritisiert wird, geht nicht selten auf wahre Erlebnisse zurück. Es gibt sie wirklich, diese Geschichten, die so schräg sind, dass man sie kaum glauben möchte. 

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor:

 

Es ist Winter, irgendwann Anfang der 90er Jahre, irgendwo in einer Kleinstadt im Bergischen Land, eine Wohnung ohne Zentralheizung, nur sporadisch beheizt durch einen uralten Kohleofen.

 

Ein stinkfauler, aber halbwegs kälteresistenter Mann* von vielleicht zwanzig Jahren sitzt im tiefsten Winter in seiner ungeheizten Bude. Er wickelt sich in eine Wolldecke, klappert ein bisschen mit den Zähnen und überlegt eine Weile, ob er vielleicht doch in den Keller gehen soll, um Kohlen zu holen. Eigentlich ist es ja schon ziemlich kalt, andererseits gewöhnt man sich an die Kälte und der Weg in den Keller kommt ihm auch gerade sehr mühselig vor. Schließlich beschließt er, sich in der Kneipe an der Ecke aufzuwärmen und auf dem Rückweg einen Abstecher in den Keller zu machen.

 

Es muss nicht extra erwähnt werden, dass besagter junger Mann* ein Leben als Single fristet.

 

So weit, so gut. Nun kann es vorkommen, dass selbst der unrasierteste, bequemste Frauenschreck* auf Eine trifft, die gewillt ist, sich näher auf ihn einzulassen. Dann geht es plötzlich ganz schnell. "Aus Kindern werden Leute" - aus Junggesellen Bräutigame. Selbstverständlich ordentlich rasiert, wohlerzogen und auch nicht länger faul. Auf manche Männer* wirken Frauen einfach Wunder.

 

Selbstverständlich ist die alte, schwer beheizbare Bude nun nicht mehr tragbar. Also suchen die beiden zusammen - sie hat das letzte Wort - eine moderne Wohung, so eine mit Zentralheizung und einer funktionierenden Toilettenspülung.

 

Der Umzug steht an. Unser Ex-Junggeselle* packt seine sieben Sachen. Viel mehr darf er in die neue Wohnung nicht mitnehmen, der alte Pröttel muss weg. Immerhin der Toaster ist erlaubt, sofern er ihn vorher gründlich sauber macht.

 

Also flugs das Kabel aus der Steckdose gezogen, den Toaster zur Spüle getragen und ... Irgendetwas klappert im Gerät, hoffentlich ist es nicht kaputt. Wann hat er den Toaster zum letzten Mal verwendet? Oder gar sauber gemacht? Sicher hängen Krümel im Volumen eines halben Brotlaibes in der Krümelsammelstelle fest.

 

Der junge Mann* hält das Gerät dicht über die Spüle und schüttelt es. Ein paar einsame Brotkrumen rieseln heraus. Er schüttelt kräftiger. Es klappert immer noch. Sonst tut sich nichts. Aber das lässt sich durch Logik erklären: Wahrscheinlich sind die Brotkrümel bereits derart verkrustet, verklebt, miteinander verwachsen, dass sie nicht mehr durch den schmalen Spalt passen. Da hilft ein Schraubenzieher oder ein Küchemesser, irgendetwas mit dem man herumstochern kann. Gedacht, getan - das Brotmesser eignet sich hervorragend für solcherlei Experimente. Wer jetzt einen blutigen Fortgang dieser Geschichte erwartet, dem sei gesagt. Nein, no, non, njet, kein Splatter- sorry, es geht völlig unblutig weiter.

 

Nach einer Weile des Herumstocherns kommt endlich Bewegung in die Sache, Verzeihung den Klumpen. Er kann nämlich lokalisiert werden. Tatsächlich gelingt es unserem Ex-Junggesellen sogar, den Klumpen vor den Spalt der Krümelsammelstelle zu schieben. Allerdings passt er nicht auf Anhieb hindurch. Aber mit Geduld und Spucke und einer Portion Gewalt lässt sich der Brotkrümelklumpen schließlich hindurchpressen.

 

Äh? Brotkrümelklumpen? Komische Farbe. Irgendwie Grau-Schwarz. Vielleicht verschimmelt?

 

Der junge Mann* untersucht das Ding genauer. Ach ne. Das kann doch nicht sein? Unmöglich. Wie soll die denn da reingekommen sein? Und warum?

 

Was soll ich sagen? Wahrscheinlich kann er froh sein, dass seine Zukünftige gerade nicht in der Nähe ist. Frauen reagieren auf solche Funde manchmal mit spitzen Schreien in einer Frequenz, die an das Quietschen von Kreide auf einer Schiefertafel erinnert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Männer* diese Tonlage nur unter Zuhilfenahme eines Gehörschutzes ertragen können. Ohne solchen neigen sie zum Hände auf die Ohren pressen und jammervollem Hinkauern in einer Zimmerecke.

 

Verzeihung, ich schweife ab. Also, was hat unser Ex-Junggeselle* nun in seinem Toaster gefunden? Im Krümelfach ... gleich unterhalb der Heizstäbe. Na, wer will mal raten? Niemand? Okay, ich verrate es ja schon. Es war ... trommelwirbel ...

 

 

 

eine tote Maus!

 

 

 

Doch warum ist das Mäuschen dort hineingekrochen? Laut Aussage des Toasterbesitzers* kommen dafür lediglich zwei Möglichkeiten in Frage:

  1. Die Maus war auf der Suche nach etwas Essbarem. Außer der obligatorischen Ketchup-Flasche war der Haushalt vollständig lebenmittelfrei, einmal abgesehen von den vergessenen Brotkrumen in der Krümelsammelstelle des Toasters. 
  2. Der Maus war derart schweinekalt, dass sie selbst bereit war, es mit den Heizstäben des Toasters zu versuchen.

 

Die Wahrheit wird niemals enthüllt werden. So leid es mir tut, ich muss Sie nun mit dieser Frage allein lassen, mit diesem Rätsel, das zu den ganz großen in der Menschheitsgeschichte gehört. Der Ex-Toasterbesitzer* selbst tendiert allerdings zu einer Mischvariante: Die Maus wollte sich wärmen, blieb im Gerät stecken und musste dann mangels regelmäßiger Toasterbenutzung elendig verhungeren.

 

P.S. Übrigens, der junge Mann* hat seiner Zukünftigen niemals von der Sache mit der Maus berichtet. Immerhin, er war so schlau, den Toaster zu entsorgen, anstatt ihn mit in die gemeinsame Wohnung zu nehmen.

P.P.S. Ich hatte mal einen Professor, der sagte immer, man solle aufpassen, dass man, wenn man über moderne Möbel schreiben wolle, nicht am Ende über Elefanten schreibt. Kann sein, dass ich bei diesem Beitrag am Ende bei den Elefanten gelandet bin ;-).

 

 

 

 

*Pst, Mark, falls du das jetzt liest: Ich habe ihr nichts verraten. Du musst nur achtgeben, dass ihr dieser Blogartikel niemals in die Hände kommt. Aber das kriegst du schon hin.

 

 

 

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