Wahrscheinlich geht es allen SelfpublisherInnen, die nicht ständig im Top 100 Himmel schweben genauso wie mir. Wir spüren, dass der Wind immer rauer wird und wir denken darüber nach, was wir ändern könnten, an welchen Fäden wir ziehen, welche Möglichkeiten sich bieten, um gegen die zurückgehenden Umsätze anzukämpfen.
Es mag Zufall sein, dass gerade jetzt unter SelfpublisherInnenn einiges passiert, was ich höflich als ‚unschön’ bezeichnen möchte. Man könnte es jedoch genauso als ‚Mittel der Wahl’ interpretieren. Nun, wir werden es nie erfahren, denn sicher werden sich die entsprechenden Personen darüber ausschweigen, ob es dabei einen Zusammenhang zum rauen Wind und zu schwindenden Umsätzen gibt.
Da gibt es AutorInnen, die verkünden, dass sie Lektorate für sinnlos halten. Kann ja jeder halten, wie er Kleingeld hat, erstaunlicher ist die Diskussion danach, die die Meinung einer einzelnen Person zu Allgemeingültigkeit hochspielt. Als ob alle SelfpublisherInnen der gleichen Ansicht wären. Statt so etwas einfach im Sande der Einzelmeinungen versickern zu lassen, hat jeder etwas dazu zu sagen, und es zeigt sich wieder einmal, wie viele nicht einmal Korrektorat und Lektorat auseinanderhalten können. Nicht falsch verstehen, ich finde es völlig okay, mit seiner Ansicht an die Öffentlichkeit zu gehen, was ich nicht nachvollziehen kann, ist der Aufschrei danach. Da frage ich mich, ist denn da nicht vielleicht in China einfach nur ein Sack Reis umgefallen? Glaube ich so wenig, an die Sinnhaftigkeit meines Tuns, dass ich mich um eine Einzelmeinung derart intensiv kümmern muss? Kann ich nicht einfach mal sagen: Okay, mach du es, wie du magst, ich mache es, wie ich es mag. Ich halte ein Lektorat für sinnvoll, und davon wird mich kaum eine einzelne Meinung abbringen. Entsprechend muss ich mich auch nicht in eine Verteidigungshaltung begeben.
Dann tauchen mal wieder Autoren* mit Plagiatsfälle auf, mehrere kurz hintereinander, da wird munter abgeschrieben, was das Zeug hält. Die eine findet Manuskripte auf ihrem Rechner, ohne zu wissen, dass sie nicht von ihr sind, andere scheinen Mangas nicht für Urheberrecht geschützt zu halten. Was ist denn da los? Und mir scheint, es wird langsam zum neuen Sport, die schwarzen Schafe zu überführen. Finde ich das gut? Ja, das finde ich gut, ich würde mich auch nicht gerade darüber freuen, wenn jemand meine Bücher abkupfert.
*Übrigens … Ich verzichte hier bewusst auf die weibliche Form, denn, wenn auch nur Autorinnen mit diesem Thema derzeit im Fokus stehen, gehe ich doch mal stark davon aus, dass die Kollegen einfach nur noch nicht erwischt worden sind. Oder sie stellen sich geschickter an und kupfern lieber Ideen ab, statt ganze Textabsätze oder gleich Bücher. Auch nicht besser, aber viel schwieriger nachweisbar. Ich kenne da zum Beispiel einen Autor, der offen bekennt, nur um des Geldes willen zu schreiben. Er hat auch keine Probleme damit, Ideen zu klauen und mit einem Mindestaufwand aufs Papier zu rotzen. Seine Leser sind ihm egal, und ob das, was er schreibt, gut ist, ist ihm auch hinlänglich wurscht.
Eine junge Autorin will in drei Tagen 60.000 Wörter schreiben (Das entspricht etwa einem 200-Seiten-Roman). Warum?, frage ich mich. Zählen Tempo und Quantität mehr als Qualität? Wozu soll das gut sein? Wem nutzt das? Dem Buch sicher nicht und damit wohl auch nicht den LeserInnen.
Wobei … Die LeserInnen scheinen sich sowieso kaum für all diesen Unfug zu interessieren. Klar, es gibt ein paar, die sich intensiv in den sozialen Netzwerken herumtreiben und die auch mitdiskutieren, aber genauso schnell wie man sich über das neue Skandälchen aufregt, genauso schnell ist es auch wieder vergessen. Den Plagiierenden wird großzügig verziehen und die meisten Leser haben eh nichts davon mitbekommen und interessieren sich auch nicht dafür. Pech nur, wenn man sein Manuskript bei einem Verlag eingereicht hat, um dort groß rauszukommen und stattdessen dort groß rausfliegt. Aber selbst das wird sicher schnell wieder vergessen. In sozialen Netzwerken schwimmen wir alle in unserer eigenen Suppe, und mir scheint, sehr oft übersehen wir, dass da immer die gleichen mit uns herumpaddeln und es außerhalb der Suppe ganz viele Menschen gibt, die nicht ständig bei Facebook, Lovelybooks oder sonst wo herumhängen, und die sich für uns AutorInnen nicht für einen Fingerhut voll Suppe interessieren.
Dennoch … auch ich schwimme in meiner Suppe und wenn ich das so alles verfolge, überkommt mich schnell das Gefühl, mich dafür schämen zu müssen, ebenfalls zur Gruppe der SelfpublisherInnen zu gehören. Mal ganz abgesehen von dem, was man so schön ‚Fremdschämen’ nennt. Sind wir doch alle KollegInnen.
Bei Licht betrachtet, sieht die Sache allerdings ganz anders aus. NEIN! ICH VERWEIGERE DAS! ICH SCHÄME MICH NICHT. Warum auch? Ich betreibe mein Schreiben ernsthaft, ehrlich und mit dem Anspruch an Qualität. Warum also sollte ich mich schämen?
Wir müssen uns nur mal Gedanken machen, wie viele SelfpublisherInnen es gibt und wie viele (wenige) davon, auf die eine oder andere Weise bescheißen oder vergessen haben, worauf es meiner Ansicht nach bei einem Buch ankommt: Das bestmögliche für die LeserInnen zu geben. Zahlende KäuferInnen haben ein Recht auf ein gutes Produkt. Nicht mehr und nicht weniger. Aber zurück zu den Zahlen, ich habe keine Ahnung, wie viele SelfpublisherInnen es allein in Deutschland gibt, aber es sind viele, sehr, sehr viele und selbst wenn es darunter einige gibt, die Mist bauen, die die falsche Entscheidung treffen, sei es aus Gelderwägungen, aus der Panik heraus, nicht schnell genug mit dem nächsten Buch am Start zu sein, ehe die LeserInnen den eigenen Namen wieder vergessen haben, sei es der Versuch das neue Buch mit kuriosen Aktionen bekannt zu machen, wie auch immer, die Zahl derjenigen die es tun – oder die erwischt wurden – ist verschwindend gering.
Ich mag die Hoffnung nicht aufgeben, die Hoffnung, dass es da draußen ganz viele, großartige SelfpublisherInnen gibt, die sich Qualität auf die Fahne geschrieben haben, die schreiben, um ihren LeserInnen ein paar schöne Stunden zu bereiten, die schreiben, weil sie etwas zu sagen haben, die schreiben, weil sie es müssen. Solche, die nicht von Buch zu Buch hetzen, sondern in einem Tempo schreiben, das dem Buch geschuldet ist, die ihre Figuren entwickeln, ihrer Geschichte Zeit lassen, sich zu entfalten und die ihre Bücher immer wieder überarbeiten. Die es lieben, Geschichten zu erzählen und deren großes Glück es ist, gelesen zu werden. Solche, denen es egal ist, ob sie immer wieder aufs Neue kämpfen müssen, weil ihr nächstes Buch nicht schon nach acht Wochen auf den Markt kommt, weil sie wissen, ein Buch wird nicht besser dadurch, dass es im gleichen Tempo runtergetippt wird, wie es gelesen wird.
ICH SCHÄME MICH NICHT! Im Gegenteil … Ich bin stolz darauf, zu denen zu gehören, denen die Qualität ihrer Geschichten am Herzen liegt. Mit allen Höhen und Tiefen, die das leider bedeutet.
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Steffi (Montag, 15 Februar 2016 08:54)
Der Artikel selbst ist an sich in Ordnung, aber dem 3-Tage-Projekt direkt Qualität und irgendeinen Nutzen für Buch und Leser abzusprechen, finde ich kurzsichtig und voreingenommen. Ich frage mich ernsthaft, wie man, ohne das Projekt zu verfolgen, soetwas behaupten kann, ohne das selbst ausprobiert zu haben. Und selbst *wenn* man es exakt so ausprobiert hat, ist das Ergebnis wissenschaftlich gesehen keinesfalls die Regel.
Darüber hinaus wurde das Projekt letztlich als "Experiment" bezeichnet und die Initiatorin hat an vielerlei Stelle betont, dass der Ausgang für sie ungewiss ist. Dass sie mit dem Ergebnis zufrieden sein will oder es niemals veröffentlicht. Aus Respekt vor der eigenen Arbeit und den Lesern. Und um zu verhindern, dass die Qualität leidet, hat sie sehr lange und sehr detailliert geplottet (alles auf ihrem Blog nachvollziehbar) und alles wird ins Lektorat/Korrektorat gehen.
Wie kommt man bei solchen Gedankengängen/Ankündigungen dazu, dieses Projekt indirekt als "beschämend" zu titulieren? Oder besser: Wie kann man Dinge verurteilen, über die man scheinbar schlecht informiert ist, denn oben genannte Gedankengänge der Initiatorin zeigen deutlich, dass ihr Qualität *nicht* egal ist.
WIE Qualität erbracht wird, hat niemand irgendwem vorzuschreiben. Ich halte es tatsächlich aber für moralisch richtig, Kollegen zu unterstützen und nicht ihrer Arbeit auf Basis persönlicher Vorlieben und Dünkel alles Gute abzusprechen.
Regina (Montag, 15 Februar 2016 09:30)
Liebe Steffi, ich habe mich, entgegen deiner Annahme, bevor ich darüber geschrieben habe, sehr wohl mit dem, was über das Projekt bei Neobooks geschrieben steht, beschäftigt. Ich habe auch gelesen, dass die Autorin, sich auf das Projekt umfassend vorbereitet hat.
Nun ist es aber nicht sonderlich außergewöhnlich, dass Autoren ihre Bücher sorgfältig vorbereiten, Es gibt solche, die schreiben 'ins Blaue' und lassen sich von der Geschichte treiben. Aber es gibt genausoviele Autoren, die vor dem Beginn des eigentlichen Bücherschreibens erst einmal monatelang an ihren Geschichten und Figuren feilen, ausführliche Plots erstellen und natürlich ebenso ausführlich recherchieren. Das ist also nun gar nichts Ungewöhnliches und ein 'normaler' Teil der schriftstellerischen Arbeit. Trotzdem schreiben diese Autoren danach nicht ihre Bücher in drei Tagen runter.
Ich selbst arbeite zum Beispiel auf diese Weise. Ich fange erst an zu schreiben, wenn alles durchdacht ist, die Geschichte komplett durchgeplant ist und ich ein vielseitiges Konzept neben mir liege habe, sowie Figurenbeschreibungen und das Setting samt aller Hintergründe ausgearbeitet habe.
Warum schreibe ich also nicht auch 60.000 Wörter in drei Tagen?
Das ist einfach zu beantworten. Weil ich, um eine halbwegs sauber formulierte Normseite zu Papier zu bringen, im Schnitt etwa eine halbe Stunde benötige. Entspricht 1.500 Zeichen - also ca. 260 Wörter.
Warum benötige ich dazu eine halbe Stunde? Weil eine Szene, auch, wenn sie noch so gut vorher durchdacht worden ist, immer eine Eigendynamik entwickelt, weil ich erst während des Schreibprozesses, das Timing des Erzählten festlegen kann, weil ich erst dann spüre, wie etwas den Lesern wirklich spannend 'serviert' werden kann. Wobei das alles immer nur nach dem Prinzip Hoffnung verläuft, denn natürlich habe ich ganz und gar nicht das Patentrezept fürs Bücherschreiben.
Eine Geschichte, selbst wenn sie vorher komplett zu Ende gedacht worden ist, muss sich entwickeln. Wenn eine Szene zu Ende gebracht worden ist, braucht es ein paar Minuten, um das Geschriebene sacken zu lassen, um mich auf den nächsten Schritt einzulassen. All dies braucht seine Zeit und es dient dem Buch und damit auch dem Leser nicht, wenn ich meinen Texten nicht die Zeit gebe, zu reifen. Abgesehen davon verläuft das eigentliche Schreiben niemals so, wie es im Plot vorgesehen ist. Erst während die Geschichte auf dem Papier entsteht, während die Figuren nach und nach ihr Eigenleben entwickeln, tauchen plötzlich Geschehnisse auf, die unbedingt in die Geschichte hineingehören und andere werden zum gleichen Zeitpunkt völlig unwichtig.
Soviel mal zu meinen Gedanken hinter dem, was ich zu der Aktion geschrieben habe. Und selbstverständlich gehen meine Manuskripte danach ebenfalls in ein Korrektorat und Lektorat. Das ist das allseits übliche Vorgehen. Darin liegt nichts Besonderes.
Nun aber noch mal zu deinen Argumenten. Natürlich ist es ein Experiment. Aber ein Experiment dient in aller Regel einem Zweck. Und den sehe ich hier nicht. Oder worin könnte dieser liegen? Die Fragen habe ich aufgeworfen und tue es noch. Und da bleibt mir im Grunde nur zu unterstellen, dass es ein Marketingtool ist.
Ich habe gar nichts dagegen, Marketing zu betreiben, im Gegenteil, je origineller, desto besser. Ich beobachte das mit Interesse. Aber! Es darf meines Erachtens nach nicht dazu führen, dass eine Marketingaktion das torpediert, was mir als Autorin wichtig ist, nämlich das Buch. Wenn das Buch zur Nebensache wird, hat die Aktion meines Erachtens nach den Sinn verfehlt. Aber das mag jeder unterschiedlich betrachten. Das hier ist nur meine bescheidene Meinung und die ist selbstverständlich völlig subjektiver Natur.
Ich bestreite übrigens, dass ich da in irgendeiner Weise der Autorin negativ gegenüber stehe. Ich bestreite aber auch, dass ich als Kollegin verpflichtet bin, alles, was Kollegen treiben, automatisch unterstützen zu müssen. Wo kämen wir denn da hin, wenn Kritik nicht mehr möglich wäre, oder generell als Missgunst ausgelegt würde? Es gibt viele Kollegen und Kolleginnen, deren Tun ich ganz und gar nicht unterstütze, nimm als Beispiel jemanden wie Akif Pirincci. Gut, das Beispiel hinkt, weil sein Auftreten ja nicht unbedingt mit der Schriftstellerei zu tun hat.
Dennoch, ich fühle mich nicht verpflichtet, Dinge zu unterstützen, die ich persönlich als falsch empfinde. Und mit dem von dir genannten Dünkel oder persönlichen Vorlieben, hat das nicht die Bohne zu tun. Ich greife auf ein paar Jahre Erfahrung zurück, einen Kopf zum Denken und eine eigene Meinung. Und die lasse ich mir nicht nehmen, bei allen guten Wünschen für die junge Kollegen -möge ihr Projekt gelingen. Und ich würde mich freuen, wenn sie mir irgendwann einmal erklärt, worin in ihren Augen der Nutzen für dieses Projekt liegt. Wenn es nicht doch das Marketing ist ...
Steffi (Montag, 15 Februar 2016 10:57)
Es sind Dünkel, die du da in aller Länge beschreibst und selbst entlarvst, du hast es mir mit deiner Antwort nur bestätigt. Nur weil du selbst so nicht arbeiten kannst und magst – ja, damit meine ich deine persönlichen Erfahrungen – ist es unlogisch, bei anderer Handhabung von schlechter Qualität auszugehen. Dein Unvermögen ist nicht das Unvermögen anderer, dein Missfallen ist nicht das Missfallen anderer – zumindest niemals automatisch, sondern höchstens zufällig. Das ist, als würde ich sagen "Ich mag keine roten Autos. Wer rote Autos fährt, kommt nicht so gut ans Ziel wie ich in meinem silbernen Wagen." - also "Ich mag es nicht, schnell zu schreiben. Wer schnell schreibt, kann nicht so gute Qualität abliefern wie ich." Ich bekomme den Eindruck, du bist sehr intolerant gegenüber neuen Wegen, wenn sie nicht deinen entsprechen. Und du informierst deine Leser sehr einseitig über das Experiment – du lässt ja nicht einmal ihre eigenen Wort zum Thema Qualität zu. Und ich wiederhole mich: Wenn du wirklich gelesen hast, was sie geschrieben hat, könntest du nicht zu dem Schluss kommen, dass ihr Qualität egal ist. Es sei denn, du suchst das Haar in der Suppe und möchtest mit einseitiger Information erreichen, dass die Leute dir Recht geben (aber gut, Blogger erheben ja auch nicht die Ansprüche journalistisch-wertvoll zuarbeiten, oder wie wird oft geunkt?). Ich bin froh, dass die meisten Autoren nicht so voreingenommen und wenig bescheiden sind, denn das wäre keine Community, die sich gegenseitig hilft, sondern nur eine, die sich gegenseitig die Butter vom Brot nimmt. Also kein Ort der Kreativität. Ein sehr trauriger Ort.
Bernd Mannhardt (Montag, 15 Februar 2016 12:43)
Hallo Regina!
Nee, Sie müssen sich nicht schämen. Sie treibt ja offenbar Gleiches an wie auch mich (als Verlagsautor):
Sie wollen etwas abliefern, das auf dem eigenen Mist gewachsen ist und letztlich der Leserschaft gefällt. Sehr gut!
Nach weit über 20 Jahren Schreiberfahrung in Prosa wie Szenisches Schreiben ist zumindest mir klar, dass das Lektorat oder analog bei Stücken die Dramaturgie insofern wesentlich ist, als an diesen Stellen "von außen" Impulse zu Verbesserung des eigenen Werkes gegeben werden können (auf die ich als Verfasser aus meiner eigenen, naturgemäß eingeschränkten, Innensicht gar nicht kommen könnte).
Wer glaubt, ohne diese Impulse auskommen zu können, vergibt in erster Linie sich selber eine Chance, noch besser inhaltlich oder stilistisch auf den Punkt zu kommen. Mehr ist dann auch nicht. Das kann und muss jede/r für sich alleine entscheiden. Nicht einmal "Fremdschämen" wäre notwendig. Es gibt keine Sippenhaftung, im Übrigen auch nicht bei "ordentlich" Verlegtes. Alles Weitere bestimmt eh das Verhalten des geschätzten Publikums: Nimmt es an, lehnt es ab? Dass, sagen wir mal, ein rein "handwerklich" wenig gut oder gar schlecht gemachtes Buch auf alle Selbstverleger abfärbt, glaube ich deshalb nicht, weil die Leserschaft als solche eine informierte ist (die Spreu vom Weizen trennen kann).
Dennoch scheue ich mich, den Begriff "Qualität" in diesem Kontext zu verwenden, weil die "Qualität" eines Produkts - ein Begriff im Übrigen aus dem Marketing und nicht zu verwechseln mit der objektivierbaren Beschaffenheit eines Produkts - eben nicht primär die Beschaffenheit, sondern vornehmlich Emotionales ausmacht, weil Gefühle anspricht, auslöst. Will sagen, jemand könnte z.B. ein auch noch so mit Schreibfehlern behaftetes Buch durchaus toll finden, gar in den Himmel loben, weil er oder sie es einfach klasse findet, dass da überhaupt "ein Buch" (sagen wir mal zudem eines Freundes) als solches entstanden ist (das man vielleicht selber auch gerne vorlegen wollte, aber einfach, warum auch immer, nicht packt). Ein Buch, schnuppe was drin steht und wie es optisch gemacht ist, kann für die Leserschaft auch zur reinen Projektionsfläche eines eigenen unerfüllten Traumes werden...
In der (individuell zu beantwortenden) Qualitätsfrage ist ja vornehmlich (subjektiv begründetes) Irrationales mit im Spiel. Aber das wiederum ist nicht schlimm, sondern bloß Fakt. Aus genau diesem Grund ist im Übrigen in der Autorengruppe für deutschsprachige Kriminalliteratur, "Das Syndikat", "die Qualität" dem Selbstverständnis nach überhaupt kein Diskussionsgegenstand.
Kurz, AutorInnen - egal ob als Verlagsautor oder nicht - sollten meiner Meinung nach einfach nur ihr Ding machen - und zwar nach bestem Wissen und Gewissen. Das Wissen können wir uns aneignen, das Gewissen, was wir wie auf den Markt schmeißen (lassen), müssen wir ganz alleine haben.
In diesem Sinne - und dies nicht als Widerspruch, sondern vielleicht als Ergänzung gedacht - viel Erfolg für weitere Projekte!
Bernd Mannhardt
Regina (Montag, 15 Februar 2016 13:49)
Danke Bernd, für die Ergänzung. Kurze Anmerkung: Ich meine Qualität hier insbesondere im Gegensatz zu reiner Quantität, aber natürlich auch im Sinne von Sorgfalt und Liebe zum Text.
Steffi, aus irgendeinem Grund hat meine Homepage meine Antwort von eben verschluckt, stelle ich gerade fest. Ich versuche sie mal zu rekonstruieren.
Gehen wir das Thema mal mathematisch an, dann ergeben sich folgende Zahlen: Wenn ich Zeit zum Schlafen, Essen, Duschen, usw. abziehe - sagen wir 10 Stunden - ergibt sich eine Gesamtschreibstundenzahl von 42 Stunden. Bei 60.00 Wörtern heißt das, das pro Stunde 1.428,6 Wörter geschrieben werden müssen. Bei durchschnittlich 260 Wörtern pro Normseite, ergibt das 5,5 Normseiten pro Stunde, heißt also, dass pro Normseite (ca. 1.5oo-1.800 Zeichen) nicht ganz 11 Minuten zur Verfügung stehen. Gehen wir 1.500 Zeichen aus, bedeutet das 136 Anschläge in der Minute. Geübte 10-Finger-Blind-Schreiber sind schneller, das heißt, sie könnten vielleicht noch 2 -3 Minuten zum Nachdenken herausschinden pro Seite. Wer nicht im Zehnfingersystem schreibt, der ist mit 136 Anschlägen wahrscheinlich gut bedient und dem bleibt gar keine Zeit mehr sich Gedanken zu machen, um Zeit zu haben, Worte zu wählen, Satzmelodie zu finden oder ähnliches.
Mal ganz abgesehen davon, dass es körperlich gar nicht so einfach ist, 14 Stunden am Stück zu tippen und zu sitzen und alles, was dazu gehört.
Wenn die Qualität eines Ergebnisses nur der Vorbereitung läge, tja, wer weiß, aber das eigentliche Schreiben eines Buches beginnt nun mal erst, wenn man den ersten Satz getippt hat.
Wenn du das als Dünkel ansehen möchtest, bitte sehr. Inwiefern ich jemandem 'die Butter vom Brot nehme' oder die Autorin schlecht mache, kann ich nicht erkenne. Ich kritisiere das Projekt und auch die denkbaren (nicht erwiesenen) Motive. Das steht mir als freidenkender Mensch zu. Wenn sie mit ihrem Projekt Erfolg hat, gönne ich ihr von Herzen gern, dass sie damit reich wird.
Ich möchte gar nichts für oder gegen die Autorin erreichen, und ich glaube du überschätzt auch ein wenig meine Macht. Vielleicht sollte ich mich geschmeichelt fühlen, aber ich fürchte so besonders viele Menschen werden sich um meine Meinung nicht scheren und das ist auch gut so. Es gibt ja auf der Welt nicht nur Schwarz und Weiß, sondern ganz viele Grautöne und da darf sich jeder da einreihen, wo er sich wohlfühlt.
Hekabe (Montag, 15 Februar 2016 21:17)
Ich schließe mich auch Steffi an: Ich finde, dass der Post an den meisten Stellen sehr gut bzw. richtig ist und in einigen Punkten würde ich dir auch zustimmen, aber ich halte es auch für problematisch, das 3-Tage-Experiment im selben Atemzug mit den Plagiatsfällen zu nennen. Du beschwerst dich über den Aufschrei nach diesem (überspitzt formuliert) "Anti-Pflichtlekorat"-Artikel und forderst dabei ja im Grunde Toleranz für die Vielfältigkeit der Selfpublisherszene ein, bringst aber offenbar gleichzeitig diese Toleranz nicht auf, wenn es darum geht, dass jemand anderes sich mit einem (zugegeben gewagten) Projekt herausfordern und seine Grenzen in einem Experiment austesten will. (Mal unabhängig davon, dass ich persönlich zwar nicht so arbeiten könnte, es aber nachvollziehen kann, wenn andere den ersten Entwurf so schnell wie möglich "runter" schreiben, um in der allerersten Version ihrem eigenen Kritiker davonzulaufen, was ja auch z.B. der Zweck des NaNoWriMos ist. 3 Tage sind da das absolute Extrem, aber dafür ist es ein Experiment.)
Damit widersprichst du dir irgendwo selbst bzw. legst zweierlei Maß an ähnliche Dinge.
Marny (Montag, 15 Februar 2016 22:31)
Sicherlich gibt es viele Leser, die sich gar nicht für Autoren interessieren und einfach "nur" lesen wollen. Ohne die Hintergründe, Probleme oder Details aus dem Autorenleben zu kennen bzw. kennenlernen zu wollen. Aber eben auch sehr viele, bei denen es anders ist und die der andere Blickwinkel reizt. Schau dir die Messen und Conventions an, die Leserunden Literaturportale, die vielen Buchblogs und Facebook-Gruppen. Dort findest du beide Sorten Leser - und die vielen Abstufungen zwischen ihnen.
Die sozialen Netzwerke sind schnelllebig und sicher gerät vieles leicht in Vergessenheit, aber ich glaube auch, dass z.B. bei Plagiaten etwas im Kopf einiger Leute hängen bleibt. Allerdings bezweifle ich, dass das die Mehrheit sein wird. Nicht nur, weil es vergessen wird, sondern weil es viele Leute auch gar nicht interessiert oder sie das runterspielen. Fast noch mehr als die Plagiate an sich haben mich ja die Kommentare vieler Fans erschrocken, die das als "kann ja mal passieren" runtergespielt haben.
Das mit dem Schämen/Fremdschämen kann ich gut nachvollziehen, immerhin geht es mir als Leserin und Bloggerin auch öfter mal so. Da muss man einfach differenzieren zwischen dem, was einzelne machen und damit dem Ruf der ganzen "Gruppe" schaden, und dem, wie man ganz individuell arbeitet und handelt. Man kann sich fremdschämen, aber doch bitte nur für das schämen, was man selber "verbockt" hat. Nur leider wird von anderen allzu gern pauschalisiert - und das ist dann der Punkt, an dem ich mich gerne mal aufrege. ;)
Zu der 60.000 Wörter in drei Tagen - Diskussion:
Auch wenn noch so gut vorgearbeitet und geplottet wurde, für mich "lebt" so eine Geschichte erst, wenn man mit dem Schreiben anfängt. Davor hat man zwar den geplanten Inhalt, aber nicht die Seele und nicht die Atmosphäre. Und das ist etwas, was sich für mich nicht einfach schnell runterschreiben lässt, ohne Verluste bei der Qualität in Kauf zu nehmen. Ich glaube, dass man den Unterschied beim Lesen merkt - aber das ist natürlich nur meine ganz individuelle Meinung, geprägt von meinen Ansprüchen. Ich möchte das bestmögliche Ergebnis und dazu gehört für mich eben auch die Zeit, die eine Geschichte beim Schreiben braucht - mit der Luft, um Dinge sacken zu lassen, bevor es weitergeht. Zeit, um z.B. gewisse (intensive) Emotionen oder Ereignisse loszulassen, bevor ich mich auf die nächsten konzentrieren kann ...
Regina (Dienstag, 16 Februar 2016 10:51)
Danke Hekabe, danke Marny für eure Kommentare.
Wisst ihr, was mich bei dem ganzen Gerede, um Experiment und an Grenzen gehen und Herausforderung suchen, stört?
Schreiben (für LeserInnen) ist ein Handwerk und keine Challenge. Es ist nicht irgendeine Herausforderung, die ich mir im Höher-Schneller-Weiter-Zeitalter einfach mal gönne, weil ich immer wieder den Kick brauche und mich ausprobieren will.
Keine Schneiderin käme auf die Idee, ein Kleid in einer unmöglichen Zeit zu nähen, kein Automechaniker käme auf den Gedanken, sich das Ziel zu setzten, die Bremsen in einer Minute zu wechseln. Wir sind hier nicht bei einem Wettrennen, nicht im Hochleistungssport, wo es immer noch schneller, noch weiter gehen soll.
Wir reden hier von Büchern. Zugegeben, das Vernarrtsein in Bücher ist auch ziemlich irrational, aber ich kenne unendlich viele Leser, die ihren Büchern regelrecht ein zu Hause geben, die herrenlose Bücher adoptieren, weil sie es nicht mit ansehen können, dass Bücher weggeworfen werden.
Irgendwie scheint mir der Respekt vor all der Liebe, die AutorIn und LeserIn in ihre Bücher stecken, bei solchen Experimenten verloren zu gehen. Vielleicht bin ich auch einfach nur altmodisch.
Maarten (Dienstag, 16 Februar 2016 21:29)
Wenn Du schreibst, dass Dir bei diesem Experiment der Respekt fehlt, dann klingt das vielleicht auch altmodisch.
Es klingt für mich aber auch so, als würde Dir der Respekt gegenüber der Autorin, ihrer Experimentierfreude und ihrem noch völlig unschuldigen Buch fehlen. Es ist ja noch nicht mal geschrieben, da wird ihm schon unterstellt, ein ungeliebtes, hastig gezeugtes und deswegen häßliches Balg zu sein.
Es ist eine junge Autorin. Es ist ihr Weg zu lernen. Was soll daran falsch sein?
Hekabe (Dienstag, 16 Februar 2016 22:44)
Schreiben ist, denke ich, zu allererst einmal eine Leidenschaft, eine Kunst bzw. etwas Kreatives und in zweiter Linie ein "Handwerk" wie du schreibst. Dementsprechend hinkt für mich auch der SchneiderIn-Vergleich etc., weil du damit einen rein handwerklichen Vergleich anlegst und diese künstlerische Seite ignorierst.
Obendrein hat das nichts mit "Höher-Schneller-Weiter-Zeitalter", sondern viel mehr mit persönlicher Orientierung und Entwicklung zu tun. Ein(e) FotografIn, der/die vielleicht bisher v.a. weibliche Models fotografiert hat kann sich umgekehrt genauso selbst fordern, indem er/sie sich bewusst auf unbekanntes Terrain begibt und ab jetzt v.a. männliche Models knipst. (Um hier mal einen Vergleich von einer Verbindung aus Handwerk und Kunst zu ziehen.) Ein Autor kann sich selbst genauso herausfordern: Mit einem neuen Genre, einer ungewöhnlichen Figur oder eben einem besonders hoch gesteckten Ziel. Nur durch einem Herausbewegen aus seiner Komfortzone kann man sich schließlich entwickeln und daran wachsen.
Wie man das macht ist jedem selbst überlassen und da mögen diese Vorbehalte gegen eine Challenge-Kultur in diesem Kontext vielleicht tatsächlich einfach altmodisch sein (und natürlich stehen sie dir auch zu, wenn du das so siehst), aber das ändert für mich nichts daran, dass mir da ordentlich Toleranz gegenüber unterschiedlichen Arbeitsweisen und Wege, sich selbst aus seiner Komfortzone zu bewegen, fehlt.
Aber gut, ich verstehe ohnehin die Kritik im Allgemeinen an dem 3-Tage-Experiment nicht, weil ich mich frage, was denn dieses Projekt irgendwem tut bzw. es irgendwen kratzt, wenn eine Autorin sich auf ihre ganz persönliche Art und Weise herausfordert, um ihre eigenen Grenzen auszutesten und dabei herauszufinden, was sie kann und was nicht. (Denn mal unabhängig davon, dass in diesem speziellen Fall tatsächlich Edits, Lektorat und Korrektorat folgen werden: Der "worst case" wäre ja im Grunde nur, dass eine junge Autorin sich mit einem unausgereiften Werk blamiert, was täglich genug andere genauso tun und niemanden wirklich kümmern muss bzw. nicht mehr als jedes andere drittklassige Buch, das sonst so erscheint.)
Regina (Mittwoch, 17 Februar 2016 11:14)
Um das noch mal klar zu sagen: Ich gönne dieser jungen Dame alles Glück der Welt und wenn sie mit ihrem Experiment herausfindet, dass sie so demnächst alle ihre Bücher schreiben will, dann ist das wundervoll.
Ich störe mich nicht an dem Experiment als solches, sondern an der Umgehensweise damit.
Da entsteht ein ganz normales Buch, jede AutorIn hat ihren Weg dahin zu finden. Das kann jeder machen, wie er will. Mir geht es um das Warum.
Warum so ein Projekt: Okay, man will die eigenen Grenzen erweitern. Dazu wäre es aber nicht notwendig, daraus ein öffentliches Spektakel zu machen.
Warum also ein öffentliches Spektakel?
Steckt da vielleicht Marketing dahinter?
Auch okay, jeder kann seine Kampagnen planen, wie er will.
Aber tut mir doch bitte nicht so, als ob der einzige Grund wäre, seine persönlichen Grenzen zu sprengen. Das kann ich auch allein zu Hause austesten und dann später davon berichten.
Wenn ich es als öffentliches Schauspiel inszeniere, dann habe ich dafür meine Gründe. Und da stelle ich wieder - siehe ganz oben - die Frage: Welchen Zweck hat das? Dient es dem Buch? Und wenn nicht, wem oder was dient es dann.
Klar, 60.000 Wörter schreiben in drei Tagen kann ich auch. Wenn danach eine ausführliche Überarbeitung und ein Lektorat folgt, kann ich auch runterkloppen, was die Mottenkiste hergibt. Und dann hübsche ich es gemütlich in der Überarbeitungsphase auf. Und dann geht noch mal ein Lektor drüber und noch eine Überarbeitungsrunde und dann irgendwann präsentiere ich ein fertiges Buch. Dauert unterm Strich genauso lange, wie das Buch von vornherein in Ruhe zu schreiben.
Aber jeder wie er mag,
Übrigens, selbstverständlich ist Schreiben ein Handwerk. Ich würde schätzen, dass wenigstens die Hälfte der Schreibarbeit aus Handwerk besteht. Ohne das, bekommt selbst das größte Talent keine lesenswerte Geschichte zu Papier. Ein Buch ist mehr als eine Aneinanderreihung von Sätzen.
Aber genug zu dem Thema, denke ich. Eigentlich war das ja auch nur als kuriose Randnotiz gemeint, wie ich oben schrieb, geschieht derzeit allerhand im SP-Bereich und nicht alles davon ist so harmlos, wie dieses Experiment.
Tine (Dienstag, 13 September 2016 17:08)
Hallo, man muss einfach immer wieder über Selfpublishing und das Eigenverständnis von Indieautoren schreiben - danke dafür! Qualität hängt nicht vom Format oder vom Verlag ab - am meisten hängt sie vom eigenen Anspruch ab.
Darauf kommt es an. Das gilt für Verlagsautoren wie auch für Selfpublisher. Die Bücherwelt ändert sich gerade und wir Selfpublisher sind ein Teil davon. Das ist spannend!
Gruß
Tine